Dieses Mal war ich nicht als Pastor im Dienst. Als Gottesdienstbesucher und ehrenamtlicher "Küster" habe ich diesen Nachmittag und Abend erlebt.
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| Die weihnachtliche Gustav-Adolf-Kirche |
Drei Gottesdienste, ein Licht ...
Vom Kinderkrippenspiel über den Jugendgottesdienst bis zur traditionellen Christvesper: Wie unsere Gemeinde am Heiligabend 2025 in drei sehr unterschiedlichen Feiern die eine Botschaft von der Menschwerdung Gottes entfaltet hat.
- Krippenspiel: Die Kinder erzählen mit Benjamin und der „letzten Hütte von Bethlehem“ von Gottes Nähe am Rand der Welt.
- Jugendgottesdienst: Unsere Teamerinnen und Teamer ringen mit dem Wunsch nach Perfektion – und entdecken: Gott sucht das Echte, nicht das Glatte.
- Traditionelle Christvesper: Viele Krippenformen – eine Botschaft: In uns soll Christus seine Krippe finden.
In allen drei Feiern leuchtete dieselbe Spur auf:
- Gott kommt nicht in die Welt der Perfekten, sondern mitten ins Chaos, an den Rand, in die letzte Hütte.
- Weihnachten geschieht, wo wir uns von dieser Liebe berühren lassen – und sie weitergeben.
- Überall dort, wo Ehrenamtliche „brennend im Geist“ dienen, wird Gemeinde zum Ort der Hoffnung.
1. Gottesdienst – Familien mit kleineren Kindern
Die letzte Hütte von Bethlehem – wenn der kleinste Engel den Weg weist
Der Heiligabend begann in diesem Jahr wie immer mit einem Gottesdienst für Familien mit kleineren Kindern – lebendig, farbenfroh und zugleich theologisch tief. Unsere Popkantorin Julia Uhlenwinkel hatte nach den Herbstferien mit rund 25 Kindern das musikalische Krippenspiel „Die letzte Hütte von Bethlehem“ einstudiert, unterstützt von Eltern und dem Vorbereitungsteam der „Gottesdienste mit kleinen und großen Leuten“. Der Chor „Just for Fun“ unter der Leitung von Maike R. Hofmann, die zugleich als Liturgin durch den Gottesdienst führte, unterstützte den Gesang der Kinder.
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| Impressionen vom Krippenspiel |
Im Mittelpunkt der Geschichte standen nicht die Mächtigen und Glänzenden, sondern ein kleiner Engel: Benjamin. Während die „großen“ Engel, Seraphinen und Cherubinen, davon überzeugt waren, dass Gottes Sohn selbstverständlich in Rom oder im Palast des Herodes zur Welt kommen müsse, jagten sie Glanz, Macht und vermeintlicher Bedeutung hinterher – und scheiterten. Rom und Jerusalem erwiesen sich als die falschen Adressen für Gottes Kommen in die Welt.
Es war der unscheinbare Benjamin, der hinhörte, wo andere sich selbst genug waren. Er ließ sich von Gabriel senden, fand Maria und Josef in ihrer Not und führte sie in die „letzte Hütte von Bethlehem“, an den Rand der Welt, zu einfachen Hirten und ihren Schafen. Dort – im Schafstall, in der Armut, in der Improvisation – wurde das Licht der Welt geboren. Die Kinder spielten und sangen die Weihnachtsgeschichte als Bewegung vom Zentrum der Macht an den Rand, hin zu den Übersehenen. Sie zeigten uns: Gott sucht sich nicht das Perfekte und Glänzende, sondern das Echte, Bedürftige, Kleine.
Die Kinder haben uns damit eine uralte Wahrheit neu erzählt: Gottes Nähe findet man nicht zuerst in den Palästen dieser Welt, sondern in der „letzten Hütte“ – dort, wo Menschen Hilfe brauchen, miteinander teilen, improvisieren und einander Raum schenken.
2. Gottesdienst – Jugendliche & junge Erwachsene
„Nicht perfekt – aber echt“: Weihnachten im Chaos des Lebens
Der zweite Gottesdienst am Heiligabend richtete sich an Familien mit größeren Kindern, an Jugendliche und junge (und junggebliebene) Erwachsene. In diesem Jahr war er in besonderer Weise ein Gottesdienst der Ehrenamtlichen: Nach meiner Pensionierung im Herbst hatten unsere jugendlichen Teamerinnen und Teamer die Gestaltung komplett übernommen – von der Dramaturgie über die Texte bis hin zu Moderation und Gebeten. Da die Älteren wegen des Studiums nicht immer vor Ort sind, tauschten sich Caroline, Johannes, Nils, Helena, Marieke und Paul übers Internet aus.
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| Unser Team - Checkliste - Deko - Lesung - Auslegung - Gebet |
Schon der Einstieg holte die Gemeinde in ihrer Wirklichkeit ab: Hektik der letzten Tage, der Anspruch, dass „alles perfekt“ werden müsse, und die Erschöpfung, die damit einhergeht. In der Begrüßung hieß es: „Hier ist ein Raum, in dem Weihnachten nicht perfekt sein muss – sondern authentisch.“ Damit war der Ton gesetzt, den Marieke dann auch im Eingangsgebet aufnahm.
Im Rollenspiel rangen Caro, Johannes, Nils und später Paul genau mit dieser Frage nach Perfektion: Wie „muss“ ein Heiligabend-Gottesdienst sein, wenn der langjährige Pastor nicht mehr da ist? Dürfen Dinge misslingen? Ist eine winzige Gipskrippe „genug“? Passt ein Rocksong in den Gottesdienst? Und was wäre, wenn es wirklich der „unperfekteste Gottesdienst aller Zeiten“ würde?
Schritt für Schritt begriffen die Protagonisten – und mit ihnen die Gemeinde: Die erste Weihnacht war selbst alles andere als perfekt. Eine überfüllte Stadt, keine Unterkunft, ein Stall als Notlösung, völliges Chaos – und genau dort kam Gottes Licht zur Welt. Nicht im „perfekten Hotel“, sondern mitten im echten Leben.
In der Auslegung fasste Helena diese Bewegung in klare, eindrückliche Sätze: Gott entscheidet sich nicht für Glanz, Luxus und große Bühne, sondern für einen Stall, eine Futterkrippe, ein erschöpftes junges Paar, das improvisieren muss. Gott kommt „mitten hinein in das echte Leben – mit seinen Problemen, seinen Sorgen, seinem Durcheinander“. Und er begegnet uns so, wie wir sind – mit „unseren Stärken und Schwächen, unseren erfüllten und unerfüllten Wünschen, unserer Freude und unserem Chaos“.
Die Jugendlichen haben uns nicht nur „vertretungsweise“ durch den Abend geführt. Sie haben mit eigenen Worten bezeugt: Gott sucht keine Perfektion, sondern Menschen. Weihnachten gelingt nicht, weil alles glatt läuft – sondern weil Gott im Unvollkommenen ankommt.
Musikalisch wurde dieser Gottesdienst getragen vom Posaunenchor unter der Leitung von Johannes Drenger. Unsere Teamer konnten noch Lukas und Harald Kopatschek gewinnen, die sich mit Klavier und Saxophon einfühlsam in den Gottesdienst einbrachten.
3. Gottesdienst – Traditionelle Christvesper
Viele Krippen, eine Botschaft: In uns muss Jesus seine Krippe finden
Die dritte Feier des Abends, die traditionelle Christvesper, stand unter der liturgischen Leitung unserer Prädikantin Petra Heidemann. Sie nahm die Gemeinde mit auf einen geistlichen Weg durch die bekannten Texte: prophetische Verheißungen aus Jeremia und Jesaja, das Glaubensbekenntnis, dann die Weihnachtsgeschichte nach Lukas in ihrer vertrauten Sprachmelodie. Passend zu den Texten erklangen die bekannten Weihnachtslieder, begleitet und geführt von Karsten Opitz an der Orgel. Doch dann stellte Petra Heidemann eine Frage, die mitten ins Heute zielt: Hören wir diese Texte noch, singen wir die Lieder bewusst – oder sind sie nur „akustische Deko“?
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| Christus will nicht nur in Bethlehem eine Krippe finden, sondern in uns. Weihnachten wird dort Wirklichkeit, wo sein Licht unser Leben erhellt – und durch uns weiterleuchtet. |
In ihrer Predigt stellte Petra Heidemann zunächst die Frage nach der Bedeutsamkeit der Weissagungen und führte dann hinein in die Entstehung der Evangelien, in die besonderen Perspektiven von Markus, Johannes, Matthäus und Lukas. Sie zeigte, wie Lukas bewusst die Form einer „Frohen Botschaft“ aus der Antike aufnimmt – und sie inhaltlich radikal umdreht: Keine vorbereitete Hof-Zeremonie, kein Palast, kein Glanz, stattdessen ein Stall, eine mühsame Reise, Armut, Bedrohung, Flucht.
Die Präsentation mit sehr unterschiedlichen Krippenbildern – von kunstvollen Holzfiguren bis zu Krippen aus Erdnüssen, Knete, Playmobil oder als bayerischer Schafstall – machte sichtbar: Es gibt nicht „die eine richtige“ Darstellung. Entscheidend ist nicht das Material, sondern die innere Erkenntnis: „In mir muss Jesus seine Krippe finden.“ Bei jedem einzelnen Menschen will Christus einziehen, das Leben hell machen und zum Leuchten bringen. Christus möchte keine teuren Geschenke in die Kippe gelegt bekommen, sondern, wir dürfen all das, was immer in unseren Herzen und Köpfen nicht zur Ruhe kommen lässt, was immer belastet oder umtreibt - unsere Ängste und Zweifel, unsere Einsamkeit und unsere Fehler, unseren Stress und unseren Stolz, unsere Ungeduld und unsere Hoffnungslosigkeit, unsere Ungerechtigkeiten und Lieblosigkeiten, - in der Krippe ablegen, um in uns Platz zu schaffen, damit wir ihn in uns aufnehmen und uns ganz ausfüllen, lassen können von dem, was uns verkündet wird: ”Euch ist heute der Heiland geboren!”
So wurde die Christvesper zu einer Einladung, sich persönlich von der Weihnachtsbotschaft „auf den Kopf stellen“ zu lassen: Christus als Dennoch und Trotzdem in einer aufgewühlten Welt, als Licht inmitten von Unrecht, Gewalt, Flucht, Angst und Überforderung. Wer dieses Licht im Herzen trägt, soll es nicht für sich behalten, sondern „da, wo Finsternis herrscht, ein Licht anzünden“.
Die vielen unterschiedlichen Krippendarstellungen sind Spiegelungen der Krippe in uns und bezeugen alle nur das Eine: Christus will nicht nur in Bethlehem eine Krippe finden, sondern in uns. Weihnachten wird dort Wirklichkeit, wo sein Licht unser Leben erhellt – und durch uns weiterleuchtet.
Ein Heiligabend, der in die Zukunft weist
Drei Gottesdienste, drei Formen, drei Zielgruppen – und doch eine gemeinsame Spur: Gott wird Mensch mitten in unserer Wirklichkeit.
Vom Kinderkrippenspiel mit dem kleinen Engel Benjamin über den jugendlichen Gottesdienst, der ehrlich mit dem Druck der Perfektion ringt, bis zur theologischen Weite der Christvesper mit ihren vielen Krippenbildern: An diesem Heiligabend 2025 hat unsere Gemeinde auf unterschiedliche Weise dieselbe Botschaft gefeiert. Sie wurde gesungen, gespielt, ausgelegt, gebetet – und immer wieder übersetzt in unser Leben heute.
Dass diese drei so unterschiedlichen Gottesdienste trotz der Vakanz der Pfarrstelle so kraftvoll gefeiert werden konnten, ist ein großes Geschenk. Unsere Ehrenamtlichen haben nicht „nur“ Vertretung gemacht – sie haben die Botschaft von der Menschwerdung Gottes mit eigenem Profil und brennendem Herzen verkündet.
Das zeigt: Unsere Gemeinde lebt. Sie ist bereit für die Zukunft, weil Menschen da sind, die ihren Glauben als tätigen Dienst verstehen. Ich bin dankbar und auch ein wenig stolz auf diesen Heiligabend, der gezeigt hat: Wenn wir im Geist brennen, wird die Kirche zum Ort der Hoffnung – für alle Generationen.




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