Sonntag, 14. Dezember 2025

Der Friedenskönig im Schatten der Panzer

Adventsbotschaft und Weltlage

Wenn wir am 1. Advent hören “Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel …”, dann steht dieses Bild des Friedens und der Demut im schärfsten Kontrast zur heutigen Realität:

  • Russland greift mit steigender Aggressivität die Ukraine an.

  • Die Sorgen vor einem Krieg zwischen China und Taiwan verdichten sich.

  • Die Attacken Amerikas auf Venezuela nehmen zu. 

  • Viele Staaten rüsten massiv auf.

Unter diesem Eindruck stellt sich die unausweichliche Frage: Was sagt uns das Königtum Jesu im Angesicht der Notwendigkeit militärischer Verteidigung? Das Ideal des Friedenskönigs, der den Völkern Frieden gebietet (Sach 9,10), erscheint angesichts von Aggression und Angriffskriegen, Propaganda, Fake News und Desinformation wie eine Illusion. 

I. Die Notwendigkeit der Abgrenzung: Schalom ist kein naiver Pazifismus

Der Kern des Missverständnisses liegt oft darin, dass "Friede" als passiver Zustand interpretiert wird. Biblischer Friede – Schalom – ist jedoch ein umfassender Zustand des Gottvertrauens, des Wohlergehens, der Gerechtigkeit, der Unversehrtheit und der richtigen Beziehungen - untereinander und eben auch und gerade zu Gott.

Der Friedenskönig gebietet nicht mit einem Befehl den Frieden; er ist der Maßstab, der uns zwingt, jede Gewaltanwendung als Versagen und letzte Notlösung zu sehen, die stets auf das Ziel der universellen Versöhnung ausgerichtet sein muss.

Der Friede Jesu ist ein Zustand der Gerechtigkeit: Der Friedenskönig Jesus ist zuerst ein Gerechter, wie Sacharja 9,9 betont. Ein Friede, der auf Unterdrückung, Unrecht oder der Verletzung von Souveränität basiert, ist kein Schalom.

Aktive Friedensarbeit: Jesus fordert nicht, die Augen vor Gewalt zu verschließen, sondern gegen die Ursachen von Gewalt anzugehen. Die Krönung Salomos stand für Pracht und materielle Macht. Dagegen steht die Krönung Jesu unter dem Zeichen der Gottesherrschaft: “Das Himmelreich ist nah herbeigekommen …” (etwa Mk 1,15) Und diese Inthronisation steht für die Priorität der Gerechtigkeit über die Herrschaft.

Für uns heute bedeutet das: Friedenskönigtum äußert sich im aktiven Bekennen unseres christlichen Glaubens und dann im Eintreten für die Schwachen, im Kampf gegen Korruption und im Aufbau internationaler Rechtsstrukturen. Die aktive Verteidigung der Schwachen oder der Unversehrtheit des Rechts auch mit Waffen kann in einer gefallenen Welt ein schmerzhafter Akt sein, der paradoxerweise dem Ziel des Friedens dient.

Angst ist kein guter Ratgeber: Schon beim Einzug in Jerusalem sahen die Pharisäer das Problem (Lk 19,39). Die Inszenierung Jesu als König gefährdete den fragilen, von Rom garantierten Frieden. Der göttliche Anspruch kollidierte mit der brutalen Realpolitik. Dieses Dilemma – das Ideal gegen die Realität – ist bis heute gültig. Aber es kann nicht sein, dass deswegen der Ungerechtigkeit und der Gewalt Tor und Tür geöffnet werden.

II. Die Spannung zwischen Ideal und Realität

Die EKD hat in einer bemerkenswerten Bewegung ihr Konzept vom tendenziell absoluten Pazifismus hin zu einem Konzept des "Gerechten Friedens" verändert. Damit wird keineswegs das frühere Verständnis eines 'gerechten Krieges' wiederbelebt. Es gibt allerdings eine Akzentverschiebung hin zu der Einsicht, dass Gerechtigkeit und Freiheit - auch die des Glaubens - unter Umständen auch mit Mitteln verteidigt werden müssen, die aus Glaubensgründen eigentlich abzulehnen sind.

Realistischer Gehorsam: Die EKD erkennt an, dass militärische Gewalt in einer „Welt in Unordnung“ (Titel der neuen Denkschrift) das äußerste Mittel sein kann, um Menschen und territoriale Integrität zu schützen. Dieser Realismus ist keine Abkehr von Jesus, sondern ein schmerzhaftes Dilemma angesichts der sündhaften Realität der Welt.

Friedenskönigtum als ethische Messlatte: Der Anspruch Jesu wird in diesem Kontext zur Messlatte. Er ist der unantastbare Idealzustand (Sach 9,10), den wir anstreben müssen. Jede militärische Handlung, jede Waffenlieferung, jede Aufrüstung muss sich daran messen lassen, ob sie letztlich dem Ziel des Friedens für die Völker dient und nicht der Eskalation oder der Machtprojektion. Der Friedenskönig ist somit nicht die Lösung in diesem Moment, sondern das Kriterium für unsere Entscheidungen.

III. Das Maultier als ethische Messlatte: Die Logik der Macht entlarven

Die eigentliche Kraft des Friedenskönigs liegt in seiner Absage an die Logik der weltlichen Macht. Jesus wählt das Maultier (Demut) und nicht das Schlachtross (Krieg). In einer Zeit, in der die Staaten wieder stark in Waffen investieren und auch die Evangelische Kirche die Notwendigkeit militärischer Verteidigungsfähigkeit anerkennt, wird der Friedenskönig zur ethischen Messlatte. Die Botschaft Jesu entbindet uns nicht von der Verantwortung für Schutz und Sicherheit, aber sie stellt das Handeln unter ein strenges Kriterium.

Priorität der Prävention: Wenn wir aufrüsten müssen, weil wir im Krieg die letzte Notlösung sehen, wie viel mehr müssen wir dann in Diplomatie, zivile Konfliktlösung und Entwicklungshilfe investieren! Es ist fatal, dass die westlichen Staaten aktuell ihre Entwicklungshilfen radikal kürzen. Der Friedenskönig fragt: Setzen wir unsere Hoffnungen zuerst auf Entwicklung - auch und gerade bei den benachteiligten Menschen -, auf Verhandlungen und Gerechtigkeit, oder zuerst auf Waffen und Ausbeutung und Gewinn?

Entlarvung der Aggression: Das Friedenskönigtum verurteilt entschieden jede Form der Aggression oder des Machtmissbrauchs, bei dem militärische Gewalt zur Verfolgung egoistischer nationaler oder wirtschaftlicher Interessen dient (etwa die Drohung mit einer Invasion, um sich Bodenschätze zu sichern). Ein Angriff auf andere Länder zur Machtabsicherung ist das genaue Gegenteil des Friedenskönigtums.

VI. Der Anspruch des Advents: Der radikale Aufruf zur Prioritätenverschiebung

Die Geburt des Friedenskönigs zu Weihnachten ist die Konsequenz des Einzugs an diesem 1. Advent. Die Botschaft ist:

Wahre Sicherheit und dauerhafter Schalom werden niemals durch militärische Überlegenheit oder das Festhalten an alter Machtlogik (dem "Königtum Salomos") erreicht.

Die Ankunft Jesu ist ein radikaler Auftrag zur Prioritätenverschiebung. Wir werden ständig herausgefordert, uns neu zu entscheiden:

  • Wollen wir einen König, der uns gegen unsere Feinde beschützt?

  • Oder wollen wir einen König, der uns auffordert, mit unseren Feinden den Weg zur Gerechtigkeit und zum Frieden zu suchen?

Der Advent ist somit keine Vertröstung auf bessere Zeiten, sondern eine Aufforderung, schon heute dort Schalom zu leben und zu fordern, wo wir ihn am dringendsten brauchen. Inmitten der Debatten über Aufrüstung ist die Erinnerung an den König auf dem Esel unsere wichtigste spirituelle Waffe.


Okay, wenn ich bei diesem Gedanken - Spiritualität, Bekenntnis, Theologie und vieles mehr - die EKD vor Augen habe, sehe ich schon das nächste Problem. Aber das will ich an dieser Stelle (noch) nicht weiter ausführen. 


Montag, 1. Dezember 2025

Der 1. Advent – Ankunft eines Königs, der anders reitet

Der Erste Advent feiert den Beginn der Erwartung. Unsere Lieder sind gefüllt mit der Sehnsucht nach einem Licht in der Dunkelheit und der Ankunft des Herrn. Die Liturgie lenkt unseren Blick an diesem Sonntag allerdings nicht auf die Krippe, sondern auf eine andere, viel dramatischere Szene: den Einzug Jesu in Jerusalem.

Warum lesen wir am 1. Advent die Geschichte von Palmsonntag? Weil dieser Einzug wie ein Manifest ist. Er zeigt uns, welcher König kommt und mit welcher Absicht.

I. Der Anspruch auf den Thron Davids: Eine bewusste Inszenierung


Die biblischen Berichte

Die Szene aus Matthäus 21, 1–11 ist mehr als eine spontane Demonstration. Sie ist eine sorgfältige Inszenierung, die tief in der israelitischen Geschichte verwurzelt ist. 

Als Jesus Jerusalem erreicht, reitet er auf einem Esel in das Zentrum der Macht. 

Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus 2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! 3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. 4 Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): 5 „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.” 6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, 7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. 8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. 9 Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

10 Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? 11 Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa. (Matthäus 21, 1-11)

Diese Geschichte ist den meisten wohlvertraut. Und dass diese Geschichte ihre Deutung aus dem Wort des Propheten Sacharja 9,9 zieht, das haben Sie beim Lesen Textes auch erkannt.

Die wenigsten aber werden wissen, dass es schon einmal solch einen triumphalen Einzug in Jerusalem gegeben hat. Dieses Ereignis liegt etwa 1000 Jahre zurück. Es ist die Zeit von König David und König Salomo, also ungefähr die Zeit um 960 vor Christus. David spürt, dass sich sein Leben dem Ende entgegenneigt und er will die Thronfolge regeln. Da setzt die alte Geschichte ein: 

König David sprach: Ruft mir den Priester Zadok und den Propheten Nathan und Benaja, den Sohn Jojadas! Und als sie hineinkamen vor den König, 33 sprach der König zu ihnen: Nehmt mit euch die Großen eures Herrn und setzt meinen Sohn Salomo auf mein Maultier und führt ihn hinab zum Gihon. 34 Und der Priester Zadok samt dem Propheten Nathan salbe ihn dort zum König über Israel. Und blast die Posaunen und ruft: Es lebe der König Salomo! 35 Und zieht wieder hinauf hinter ihm her, und er soll kommen und sitzen auf meinem Thron und für mich König sein. Denn ihn setze ich zum Fürsten über Israel und Juda ein. (1. Könige 1,32-35)

Damit sie sich die Szenerie etwas besser vorstellen können, veranschauliche ich die beiden Geschichten mal mit Kartenmaterial. Die Karten stammen aus Wikimedia, die eingefügten Beschriftungen von mir. Dazu kommen zwei Fotos vom „Holyland Model of Jerusalem“, ebenfalls gefunden auf wikimedia und zwei Zeichnungen aus dem großen Fundus des Amerikaners Jim Padgett, der mit seinen ca. 3.000 Bildern fast die ganze Bibel illustrierte.

linke Karte
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MACCOUN(1899)_p097_JERUSALEM_-_TIME_OF_DAVID_AND_SOLOMON.jpg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5f/MACCOUN%281899%29_p097_JERUSALEM_-_TIME_OF_DAVID_AND_SOLOMON.jpg
Für den Autor, siehe / Public domain
rechte Karte
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MACCOUN(1899)_p191_JERUSALEM_-_TIME_OF_AGRIPPA.jpg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2c/MACCOUN%281899%29_p191_JERUSALEM_-_TIME_OF_AGRIPPA.jpg
Für den Autor, siehe / Public domain

Bild auf der linken Seite - Davidstadt: 
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Holyland_Model_of_Jerusalem?uselang=de
Bild auf der rechten Seite - Salbung Salomos
https://www.unfoldingword.org/sweet-publishing - 1. Könige

wie auf dem Bild zuvor - oberhalb der Davidstadt der Herodianische Tempel

Ich habe die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem vor 5 Jahren am Palmsonntag 2020 sehr ausführlich beschrieben. Der Beitrag kann mit diesem Link aufgerufen werden. Während der Beitrag 2020 die biblischen Berichte in das Geschehen der Karwoche einordnete, geht es mit diesem Blogbeitrag am Anfang eines neuen Kirchenjahres in erster Linie um das Vorzeichen, das durch diese bewusste liturgische Entscheidung im Grunde genommen über die ganze christliche Verkündigung gesetzt wird.

Davids Sohn

Die Menge, die Jesus jubelnd empfängt und vor ihm ihre Kleider und Palmzweige ausbreitet, tut genau das, was die Bevölkerung Israels bei der Inthronisation Salomos tat: Sie vollzieht einen königlichen Rechtsakt.

Das Reittier: In der Geschichte aus dem Ersten Testament war das persönliche Maultier des Königs das Gefährt der Legitimation. Wer darauf ritt, beanspruchte den Thron Davids.

Der Jubel: Die Rufe, mit denen die Menge Jesus begrüße – "Hosanna dem Sohn Davids!" – waren ein klarer politischer Slogan. Sie erwarteten die Wiederherstellung der alten, glorreichen Macht.

Da Jesus dem ganzen Treiben nicht widerspricht, bekennt er: Ich bin der legitime Nachfolger Davids. Ich bin der König.

II. Die Korrektur: Die Verheißung des Friedenskönigs

Hätte Jesus es bei dieser Botschaft belassen, wäre er sofort als politischer Revolutionär von den Römern verhaftet worden. Doch die eigentliche theologische Pointe liegt im zweiten Schriftwort, das diese Szene erklärt: der Prophet Sacharja (Sach 9, 9–10).

Der Einzug ist ein königlicher Anspruch, aber er ist bewusst kontrastiert durch die Art der Ankunft:

"Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitend auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin." (Sach 9,9)

Jesus reitet nicht in der Stärke, sondern in der Demut. Er bricht die politische Erwartung der Salomo-Geschichte zugunsten der prophetischen Ankündigung:

Die Erwartung (Salomo-Typus): Ein König, der die Feinde besiegt und Reichtum bringt.

Die Intention Jesu (Sacharja-Typus): Ein König, der durch Demut Frieden stiftet.

Und das ist der entscheidende, adventsrelevante Punkt, den uns Matthäus ans Herz legt – der Friede gilt universal (Vers 10):

"Und er wird die Streitwagen aus Efraim vernichten und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen wird zerbrochen werden. Denn er wird den Völkern Frieden gebieten." (Sach 9,10)

Die wahre Intention Jesu ist somit nicht die Errichtung eines irdischen Nationalreiches, sondern das Reich Gottes – ein Reich, das nicht durch militärische Macht, sondern durch Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und universalem Frieden bestimmt wird.

III. Adventliche Ankunft und die wahre Botschaft von Weihnachten

Was sagt uns der Einzug in Jerusalem am 1. Advent über die Geburt in Bethlehem?

Der Einzug definiert das Königtum Jesu im Kontrast zur weltlichen Macht. Jesus kommt als König – aber als ein König, der die Gewalt und den Krieg ablehnt.

Die Ankunft Jesu ist die Ankunft des Friedenskönigs.

Diese Intention findet ihre Erfüllung in der Weihnachtsgeschichte. Derjenige, der am Ende seines Lebens auf einem Esel in die Stadt reitet, um das Friedensreich Gottes zu proklamieren, beginnt sein Leben nicht in einem Palast (wie Salomo), sondern:

  • in einem Stall (Demut).
  • umgeben von Hirten und Weisen, die nach der biblischen Geschichte einen langen Weg auf sich nahmen (Universalität - für die ganze Welt).
  • begleitet vom Gesang der Engel: "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen."

Der Einzug ist die königliche Bestätigung, die die Krippe erst verständlich macht. Am 1. Advent erinnern wir uns: Wir erwarten einen König, aber wir erwarten den Friedenskönig.

Er ist nicht gekommen, um einen Thron zu besteigen, sondern um die Menschheit mit Gott zu versöhnen.

Samstag, 15. November 2025

Von Zion wird Weisung ausgehen - 9. November 2025

Andacht zur Mitgliederversammlung des 

Vereins D.A.V.I.D.

gegen Mobbing in der evangelischen Kirche

Vom 7. bis zum 9. November trafen wir uns zur Herbsttagung unseres Vereins in Sondershausen. Diese Stadt liegt im Norden von Thüringen, ist die Kreisstadt des Kyffhäuserkreises und wird von der Wipper durchflossen. Die Stadt ist bekannt für ihre historische Rolle als Residenzstadt und ihre lange Bergbautradition. Das spielte dann zugegebenermaßen für unsere Tagung keine Rolle. Das Thema lautete: "Was bedeuten Mobbing-Erfahrungen für mein eigenes Glaubensleben?"

Mir war die Gestaltung der Andacht am Sonntagmorgen zugefallen. Es war der Drittletzte Sonntag im Kirchenjahr. Bei der Vorbereitung hatte ich weniger das Proprium des Sonntags vor Augen, vielmehr den "9. November", der in Deutschland manches Mal auch als "Schicksalstag" bezeichnet wird. Direkt vor Augen stehen sofort die Öffnung der Berliner Mauer im Jahr 1989, aber auch die Zerstörungen der Pogromnacht von 1938. 

Bei der Durchsicht der für den Sonntag vorgesehenen Bibeltexte sprach mich sofort der Text aus dem Prophetenbuch Micha 4, 1-5 an, Lesereihe VI. Es war dann allerdings nicht das Bild "Schwerter zu Pflugscharen" (V 3), das mich packte, sondern die prophetische Zusage "... von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem."

Bei der Suche für eine passende Lesung musste ich zwischen Jeremia 18, 1-10 und Prediger 8, 6-9 wählen. Ich entschied mich dann für den weisheitlichen Text. 

Die Lieder suchte ich aus den freiTönen. fT 141 "Es wird sein in den letzten Tagen" stand sofort fest. Es steht auch im Evangelischen Gesangbuch und nimmt den Text aus dem Michabuch direkt auf. Die übrigen Lieder waren dann auch schnell gefunden. 

  • fT 25 Da wohnt ein Sehnen tief in uns
  • fT 27 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
  • fT 45 Stimme, die Stein zerbricht
  • fT 141 Es wird sein in den letzten Tagen
  • fT 169 We shall overcome

Wer die Lieder nicht kennt, kann sie über YouTube oder andere Musikkanäle sicherlich aufrufen. 

Nun ergab sich die Frage, ob Symbole eingesetzt werden könnten. Mir kam die Idee mit Steinen. Steine - die Mauer - waren 1989 zerbrochen, Steine waren aber auch 1938 geflogen. Man könnte von Steinen des Aufbruchs, aber auch von Steinen des Scheiterns sprechen. Und diese Steine, so war die nächste Idee, könnten zum Berg Zion aufgeschichtet werden, von dem Weisung ausgeht. Und Jesus? Ein Kreuz könnte am Ende aus dem Berg "Zion" ragen. 

Eröffnung

Wir sind zusammen im Namen Gottes des Vaters …

fT 25 Da wohnt ein Sehnen tief in uns


Psalm 85

Könnte ich doch hören,
was Gott der HERR redet,
dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen,
damit sie nicht in Torheit geraten.
Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten,
dass in unserm Lande Ehre wohne;
dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen;
dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue;
dass uns auch der HERR Gutes tue
und unser Land seine Frucht gebe;
dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe
und seinen Schritten folge. Amen.

Prediger 8,6-9

6 Jedes Vorhaben hat seine Zeit und sein Gericht, und des Menschen Bosheit liegt schwer auf ihm. 7 Denn er weiß nicht, was geschehen wird, ja wer will ihm sagen, wie es werden wird? 8 Der Mensch hat keine Macht, den Wind aufzuhalten, und hat keine Macht über den Tag des Todes, und keiner bleibt verschont im Krieg, und das gottlose Treiben rettet den Gottlosen nicht. 9 Das alles habe ich gesehen und richtete mein Herz auf alles Tun, das unter der Sonne geschieht. Ein Mensch herrscht zuzeiten über den andern zu seinem Unglück.

fT 27 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr

Die leeren Hände bzw. die Steine des Aufbruchs und des Scheiterns ...

Da ich mit dem Motorrad und andere mit der Bahn angereist waren, mussten wir die Steine vor Ort suchen. Etwas mühsam, aber wir haben es geschafft. Gunter hatte noch aus der Gohrischheide, wo im Sommer ein Waldbrand gewütet hatte, zwei verkohlte Äste mitgebracht. Zur Orientierung: die Gohrischheide bildet zusammen mit den Elbniederterrasse Zeithain ein Naturschutzgebiet im Landkreis Meißen in Sachsen.

Die Steine und die beiden verkohlten Äste lagen ungeordnet in der Mitte des Raums. Da wir davon kein Foto gemacht hatten, musste ich bei nächsten Bild mit Foto-Ki und Gimp nachhelfen. 


9. November …

Regie: Nun wurden zunächst die Ereignisse benannt, die in Deutschland mit dem 9. November verbunden sind, aber auch der Überfall Russlands auf die Ukraine und der Terrorüberfall der Hamas auf Israel. Ich hatte Briefumschläge verteilt, auf denen die nachfolgend genannten Ereignisse beschrieben waren. Diejenigen, die einen solchen Briefumschlag bekommen hatten, öffneten ihn und lasen vor. Die Reihenfolge ergab sich zufällig, und nachdem der Text vorgelesen war, wurden die Karten zu den “Steine des Scheiterns” und des “Aufbruchs” gelegt. 

9. November 1848 – Hinrichtung Robert Blums bei Wien, einem der führenden Köpfe der Demokraten im Rahmen der Deutschen Revolution und in der Frankfurter Nationalversammlung.

9. November 1918 – Novemberrevolution in Berlin: Ausrufung der Republik in Deutschland. Der wenige Wochen zuvor berufene Reichskanzler Max von Baden verkündet angesichts der bevorstehenden Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg eigenmächtig die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und betraut Friedrich Ebert (SPD) mit den Amtsgeschäften. 

9. November 1923 – Hitler-Ludendorff-Putsch in München: Der Nationalsozialismus wird erstmals international wahrgenommen. Adolf Hitler, der bis dahin in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannte Parteichef der NSDAP, unternimmt einen Putschversuch gegen die demokratische Reichsregierung bewusst am 5. Jahrestag der Ausrufung der Republik. Das Unternehmen, das 20 Todesopfer fordert, scheitert bereits nach wenigen Stunden vor der Münchner Feldherrnhalle. 

9. November 1938 – Scheitelpunkt der Novemberpogrome: Nach dem Mordanschlag auf einen deutschen Diplomaten in Paris inszenieren die Nationalsozialisten die Novemberpogrome. In der NS-Propaganda werden die vor allem von SA- und SS-Mitgliedern in Zivilkleidung begangenen Ausschreitungen als Ausdruck des „Volkszorns“ gegen die Juden dargestellt. In ganz Deutschland und Österreich werden jüdische Geschäfte und Einrichtungen demoliert, Synagogen in Brand gesteckt. Hunderte von Juden werden innerhalb weniger Tage ermordet. 

9. November 1989 – Mauerfall: Die Öffnung der innerdeutschen Grenze verdeutlicht und verstetigt den Erfolg der friedlichen Revolution in der DDR, dem am 3. Oktober 1990 die deutsche Wiedervereinigung folgt. Der 9. November ist zeitweilig als Nationalfeiertag des vereinigten Deutschland im Gespräch. 

Im März 2014 besetzten russische Truppen völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel. Am 16. März wurde ein „Referendum“ über den Status der Krim abgehalten und durch Russland am 18. März 2014 eine Annexion erzwungen.

Am 24. Februar 2022 griff Russland die Ukraine unter Verletzung des Gewaltverbotes nach Art. 2, Nr. 4 der UN-Charta sowohl von russischem Staatsgebiet, als auch von der annektierten Halbinsel Krim und aus dem Nachbarstaat Belarus an und begann mit der Bombardierung von ukrainischen Städten.

Am 7. Oktober 2023 überfielen Terroristen der Hamas Israel und töteten mehr als 1.200 Israelis und verschleppte mehr als 200 Geiseln in den Gaza-Streifen. Die israelische Reaktion folgte prompt: Seit dem 8. Oktober führt Israel Krieg im Gazastreifen. 

fT 45 Stimme, die Stein zerbricht


Micha 4, 1-5 

1 In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, 2 und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 31 Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 4 Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat's geredet. 5 Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich!

Regie: “Steine des Scheiterns” und des “Aufbruchs” werden zum “Berg Zion” aufgeschichtet. Das Kreuz ist das Zentrum dieses “Berges”. Von Zion geht Weisung aus - ein Körbchen mit Bibelversen geht durch die Reihen, jeder Teilnehmer nimmt ein Kärtchen, liest ein Bibelwort vor und legt das Kärtchen auf den “Berg”. Am Ende können alle ein Bibelwort mit nach Hause nehmen. 

Eine Predigt halten musste ich nicht. Texte, Lieder und das Bild vom Kreuz auf dem "Zionsberg" waren eindeutig genug. 


fT 141 Es wird sein in den letzten Tagen


Gebet

Barmherziger Gott, Herr der Zeiten, wir kommen zu dir und stellen vor dich, was wir in der Mitte versammelt haben: Die Steine des Scheiterns und des Aufbruchs, die Geschichte von Dunkelheit und Licht. Wir gedenken des menschlichen Versagens, wir danken dir für die Gnade des Aufbruchs und des Friedens.

Wir haben unsere Steine aufgeschichtet zum Berg Zion – nicht aus eigenem Antrieb, sondern im Vertrauen auf deine Verheißung, dass dieser Berg feststehen wird, höher als alle Mächte. Wir wissen, dass von dort Weisung kommt, die allein unsere Welt verwandeln kann.

Wir bitten dich: Für alle, die heute noch in Finsternis leben und unter dem Schatten der Angst stehen: Schenke ihnen den Mut der Verheißung, dass niemand sie schrecken wird.

Wir bitten dich: Für die Völker, die das Schwert wider das andere erheben – besonders gedenken wir der Menschen in der Ukraine und in Palästina. Zerbrich die Waffen der Zerstörung und schmiede die Schwerter der Aggression zu Pflugscharen des Aufbaus um.

Wir bitten dich: Für uns selbst und unsere Gesellschaft, dass wir im Angesicht der Geschichte wachsam bleiben: Hilf uns, die Weisung deines Friedens nicht nur auf den Zionsberg zu legen, sondern sie in unseren Alltag zu tragen. Nimm die Dunkelheit aus unseren Herzen, die Hass und Vorurteile nährt. Stärke uns, die Angstfreiheit des Weinstocks und des Feigenbaums jedem Menschen zuzugestehen.

Wir haben heute gehört: Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich. Stärke unseren Weg. Gib uns die Kraft, heute schon so zu handeln, als sei dein ewiger Friede bereits angebrochen.

Lass dein Wort ausgehen von Jerusalem, leuchte du in unsere Herzen, damit wir Licht und Frieden für die Welt sind.

Amen.

Vaterunser


fT 169 We shall overcome


Segen

Lasst uns leben mit der Gewissheit,
dass Gott uns bei unserem Namen gerufen hat
und wir zu ihm gehören. 

Lasst uns leben mit der Absicht, 
Gott unseren Dank zu sagen, 
in Worten und Taten. 

Und lasst uns leben mit der Gewissheit, 
dass Jesus Christus bei uns sein wird alle Tage
bis ans Ende der Welt. 

Gott der Herr segne und behüte uns. 
Gott der Herr lasse leuchten sein Angesicht über und
und sei uns gnädig. 
Gott der Herr erhebe sein Angesicht auf uns
und schenke uns seinen Frieden. 

Amen.

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Nachgedacht: Nüchternheit, Dialektik und der Gewinn einer neuen Mitte

Als Pensionär hat man Zeit zu lesen. Ich habe mir in aller Ausführlichkeit die aktuelle Ausgabe vom Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt zu Gemüte geführt. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit den Aufsätzen von Mareile Lasogga und Eberhard Martin Pausch habe ich versucht, mir einige Gedanken zum Reformationstag zu machen. Wie lässt sich die Wichtigkeit der Feier des Reformationstags für die Kirche und der Gewinn für die Menschen heute begründen? Zum Schluss kommen noch einige Gedanken hinzu, die sich mit dem Aufsatz von Christoph Bergner beschäftigen. 


1. Wiederherstellung der Kritischen Vernunft (Kritische Theorie) 

Die Reformation war ein Akt des kritischen Denkens und der Mündigkeit. Martin Luther trat dem Papst und dem Kaiser entgegen und stützte sich auf die Heilige Schrift und das eigene Gewissen. Die Erinnerung an dieses Ereignis macht deutlich, dass Wahrheit nicht einfach durch Autorität oder Effizienz bestimmt wird, sondern durch kritische Auseinandersetzung mit den Quellen.

Angeregt durch den Aufsatz von Eberhard Martin Pausch habe ich mich wieder einmal etwas mit der Frankfurter Schule beschäftigt. Im Anschluss daran denke ich tatsächlich, dass die Vernunft im Laufe der Geschichte ihre ursprüngliche, emanzipatorische Funktion verloren hat. Sie fragt nicht mehr nach dem Sinn oder den gerechten Zielen (substantielle Vernunft), sondern nur noch nach dem effizientesten Mittel zur Erreichung eines Ziels (instrumentelle Vernunft). Eingesetzt als Instrument kann die Vernunft problemlos jedem beliebigen Zweck dienen, auch inhumanen. 

Die Feier des Reformationstags und die Erinnerung an Luthers Ansatz kann als Korrektiv gegen die instrumentelle Vernunft und den Zeitgeist dienen, indem sie das kritische Potenzial der Reformation und später der Aufklärung (Kants "Sapere aude!") in einem theologischen Kontext verankert. Das ermutigt Menschen, sich des eigenen Verstandes zu bedienen und gesellschaftlich dominante Narrative zu hinterfragen.

2. Befreiung von der Anpassung (Dialektische Theologie)

Wer sich mit der Kritischen Theorie bzw. der Dialektik der Frankfurter Schule beschäftigt, der fragt automatisch nach der Dialektischen Theologie, insbesondere, wie sie Karl Barth geprägt hat. Auch wenn sie im Lauf der Zeit an ihrer rigorosen Radikalität und der Schwierigkeit scheiterte, eine positive Beziehung zur Welt zu etablieren, so war die Dialektische Theologie einst ein notwendiges Korrektiv gegen die Anpassung der liberalen Theologie an den Zeitgeist.

Die Reformation steht historisch für die radikale Abkehr von einer Kirche, die sich zu sehr an weltliche Mächte, Ablasshandel und menschliche Werke angepasst hatte. Dies korrespondiert mit der Kritik der Dialektischen Theologie an der Kulturgebundenheit der Religion. Heute sehen wir eine theologische Landschaft, die das extreme Gegenteil darstellt: Kaum noch Widerspruch, dafür eine fast vollständige Harmonisierung mit dem Zeitgeist

Die Betonung der reformatorischen Prinzipien (Sola Scriptura, Solus Christus) stellt eine Gegenerzählung zum heutigen ökonomischen Systemzwang und der sozialen Anpassung dar. Sie vermittelt den Menschen: Der Glaube ist unabhängig von materieller Leistung oder sozialem Status. Die Wahrheit der Kirche ist transzendent und nicht verhandelbar, was eine kritische Distanz zum Zeitgeist ermöglicht. Dies ist eine Grundlage für die prophetische Funktion der Kirche (Lasogga).

3. Akzeptanz der Ambivalenz und des Chaos - aber kein Untergang

Der Reformationstag feiert die Entdeckung der Rechtfertigung allein aus Gnade (Sola Gratia, Sola Fide). Angesichts des gegenwärtig herrschenden "Chaos" und die "Macht der Negativität" (Lasogga) bietet dieser Tag eine existenzielle Orientierung: Der Mensch muss nicht durch ständige Selbstoptimierung oder Leistung versuchen, das Chaos oder das eigene Versagen zu kontrollieren. Die Gnadenlehre befreit den Menschen von der Angst und dem Perfektionsdruck, indem sie ihm seine Existenz vor Gott bedingungslos zuspricht – eine wichtige nüchterne Lebensorientierung in einer überforderten Gesellschaft.

Indem die Kirchen die biblischen Geschichten und die reformatorischen Lehren öffentlich verkünden und diskutieren, halten sie einen nicht-instrumentellen Raum offen, in dem über Sinn, Gerechtigkeit und das Absolute gesprochen werden kann – ein notwendiger Gegenpol zur rein funktionalen Sprache von Markt und Politik. Die gemeinsame Feier stiftet Gemeinschaft und Anerkennung außerhalb von Leistungszwängen.

4. Begegnung vor Ort - gegen den Systemzwang in der Kirche

Wenn es um die Feier des Reformationstags und den Gewinn dieser Feier für die Menschen heute geht, dann muss noch gefragt werden, in welchem kirchlichen Rahmen wir uns bewegen. Christoph Bergners Artikel - Verlust der Nähe - trifft einen wunden Punkt der gegenwärtigen evangelischen  Kirche: Die Übernahme betriebswirtschaftlicher Logiken und der Hang zur instrumentellen Vernunft im Kirchenmanagement.

Instrumentelle Vernunft in der Kirche: Bergner warnt davor, dass die Kirche, indem sie sich von wirtschaftlichen Modellen (Effizienz, Wachstum, Mitgliederzahlen) leiten lässt, genau jener instrumentellen Vernunft verfällt, die die Kritische Theorie beklagt. Der Geist (Glaube, Tradition, Tiefe) wird dem System (Zahlen, Organisation, Anpassung) geopfert.

Der "Akklamationsparlament"-Vorwurf: Der drohende Verlust der Synoden als Ort echter theologischer und kritischer Debatte zugunsten des reibungslosen Ablaufs und der Bestätigung vorgefertigter Pläne ist ein schwerwiegendes Symptom. Wenn der Diskurs in der Kirche stirbt, stirbt auch die Mündigkeit und die Fähigkeit zur Selbstkorrektur.

Der Ruf nach dem Unverfügbaren: Die Kirche sollte sich auf das besinnen, was unverfügbar ist: die Gnade (Sola Gratia) und das Wort Gottes. Das lutherische Bekenntnis entlastet von der Pflicht, die Kirche durch menschliche Anstrengung produzieren zu müssen. Dies ist der einzige Weg, um aus der Angst vor dem Relevanzverlust und der damit verbundenen Anpassungsspirale auszubrechen.

Gewinn für heute: Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die reformatorische Freiheit, die sich nicht von den Zwängen des Systems unterwerfen lässt. Der Reformationstag ist jährlich die Mahnung, dass die Kirche in ihrem Kern kein Wirtschaftsunternehmen ist, sondern ein Ort der Gegenrede, der Nüchternheit und der unbedingten Gnade.

Zum Schluss

Die Krise der Kirche ist nicht nur eine Strukturkrise, sondern eine Krise der Theologie und der Vernunft. Nur wenn die evangelische Kirche den Mut findet, sich von der theologischen Auszehrung und der instrumentellen Vernunft zu befreien – also nüchtern und kritisch-rational wird – kann sie ihre Rolle als Anwalt der Wahrheit und als Stimme der Hoffnung in dieser verstörenden Zeit zurückgewinnen.

Die lutherische Kirche hat dazu alle nötigen Werkzeuge: die Gnadenlehre als Befreiung vom Leistungszwang und die Bibel als Quelle für die kritische Infragestellung aller zeitgeistlichen Autoritäten. Es ist Zeit, diese Schätze wieder mutig zu heben.

Predigt zum Reformationstag

Die letzte Predigt zu einem Reformationstag, der in Meppen seit 2017 ökumenisch begangen wird, habe ich 2021 geschrieben. Man kann die Predigt mit diesem Link aufrufen. 





Donnerstag, 31. Juli 2025

Wiederaufnahme ...

Zum 1. September werde ich in Pension gehen. Ich werde keine kirchlichen Dienste übernehmen, will mich aber weiterhin mit theologischen Themen beschäftigen. Meine Gedanken dazu will ich u.a. hier in diesem Blog veröffentlichen. Vielleicht hat die eine oder der andere Lust, mitzulesen und in die Diskussion einzusteigen. 

Anhand des Kirchenjahres möchte ich systematisch-theologische Fragestellungen aufgreifen. Die in der Perikopenordnung vorgeschlagenen Texte geben dazu manchen Impuls. Zukünftig werde ich mir aber nicht mehr im Vorfeld eines Gottesdienstes Gedanken machen, also den Gottesdienst "andenken", ich werde vielmehr über die Predigten "nachdenken", die ich zu bestimmten Festtagen und Anlässen gehalten habe. Aus diesem Grund heißt der Blog zukünftig auch nicht mehr "predigten-angedacht-pk" heißen, sondern 

https://predigten-nachgedacht-pk.blogspot.com/

Ich bin gespannt, wie es läuft. 

Montag, 16. Januar 2023

Motorradgottesdienst zum Abschluss der Saison

18. Sonntag nach Trinitatis

16. Oktober 2022

So schnell ist die Saison zu Ende gegangen ...

Ankommen

Herzlich willkommen 


Singen


Aus den Psalmen 119, 105, 114, 116

Dein Wort ist meines Fußes Leuchte 
und ein Licht auf meinem Wege. 
Du bist mein Schutz und mein Schild, 
ich hoffe auf dein Wort. 
Erhalte mich durch dein Wort, dass ich lebe, 
und lass mich nicht zuschanden werden 
in meiner Hoffnung.
Stärke mich, dass ich gerettet werde,
so will ich stets Freude haben an deinen Geboten. 
Ehre sei dem Vater 
und dem Sohn 
und dem Heiligen Geist.
Wie es war im Anfang 
so auch jetzt und alle Zeit
und in Ewigkeit. Amen. 

Epistel Römer 14,17-19

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet.

Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.

Glaubensbekenntnis


Singen


Predigt

Ich erzähle von unserer Tour in die Dolomiten. Diesmal sind wir die Strecke mit den Motorrädern gefahren. Hin mit zwei Zwischenstationen, zurück mit einer. 

Die Anreise


Erste Tour

Penserjoch und Jaufenpass


Völker finden zueinander - Timmelsjoch - Österreich - Italien

Das Timmelsjoch ist ein Grenzpass zwischen Österreich (Bundesland Tirol) und Italien (Autonome Provinz Bozen – Südtirol) und liegt auf einer Höhe von 2474 m ü. A. Das Joch ist ... der einzige befahrbare Übergang des Alpenhauptkamms zwischen Reschen und Brenner. ... Mit dem 15. September 1968 wurde die Straßenverbindung auch auf italienischer Seite offiziell freigegeben werden. 


Besuch bei Ötzi

Besuch lohnt sich nicht unbedingt - ein Ereignis, viele Bildtafeln zum Lesen, Audio-Guide unbedingt erforderlich, sonst nervt alles nur noch. Bis auf das Foto von der Puppe und die Erinnerung an die echte Mumie, die ich erst suchen musste, ist nichts geblieben.. Aber ich hätte mich geärgert, wenn ich nicht hingefahren wäre.


Der schiefe Kirchturm von Barbian und die Glocken von Harburg (Schwaben)

Jetzt bin ich bei dem, was ich sagen will: Glockenläuten! Der Glockenturm von Barbian ist übrigens schiefer als der Turm von Pisa.

In Harburg weckten mich die Glocken am Sonntag morgens um 6.00 Uhr - ein bisschen früh. Manche Gäste kommen nicht mehr, erzählte der Wirt. Aber warum läuten die Glocken? Sie laden ein zum Gebet, sie laden ein zum Gottesdienst. Kein Grund, dass sich der Pastor ärgert oder aufregt. Also war das Thema gefunden: Gott ruft!

Nicht nur für Motorradfahrer!

Und nicht nur im Straßenverkehr!

Krieg in der Ukraine!

Corona ...

Was hatte Paulus an die Römer geschrieben: Das Reich Gottes ist ... Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist. Damit sind die drei Dinge benannt, die das Leben in der Welt schön machen: Gerechtigkeit - Friede - Freude!

Wenn wir uns darum bemühen, können wir auch wieder die Schönheit der Welt genießen und uns freuen. 


Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander. 

Unsere Hoffnung auf eine bessere Welt müssen wir nicht loslassen: We shall overcame ...

Singen


Kollekte

Ein Beitrag für das Motorrad des Pastors in Chemchem/Tansania, der damit auch weiter entfernt lebende Gemeindeglieder besuchen kann. Es ist weniger gefährlich mit dem Motorrad durchs Löwengebiet zu fahren als mit dem Fahrrad oder gar zu Fuß. 


Abschluss



Gottesdienst zum Auftakt der Saison 2023: 

16. April 2023

Gustav-Adolf-Kirche